Der Beginn meiner Rabenliebe
Eines Tages in den frühen 60ger Jahre spektakelte ein kleines schwarzes Etwas hinter unserem Haus an den Bahngeleisen; ein junger Rabe mit gebrochenem Flügel. Mein Vater schiente den Flügel passender Weise mit dem abgebrochenen Propeller eines seiner Modellflugzeuge.
Wir päppelten den Rabauken auf und nannten ihn Jakob. Jakob bekam eine Voliere neben dem Hundezwinger als Schlafzimmer. Tagsüber flog er frei herum und gelangte über das Küchenfenster in die Wohnung; er blieb viele Jahre bei uns. Im Frühsommer fischte er die Erdbeeren aus der Bowle, stapfte besoffen durch die Schüssel mit dem Vanillepudding, musste gebadet werden und seinen Rausch ausschlafen.
Einmal pro Woche kam der Bruder meiner Mutter, der die älteste Schwester meines Vaters geheiratet hatte, zum Mittagessen vorbei. Er war Handlungsreisender in Sachen Zigarren, seinen VW-Käfer hatte er voll gepackt mit Rauchwaren. Nach dem Essen pflegte der Onkel im Wohnzimmer auf der Couch sein Mittagsschläfchen zu halten. Jakob gefiel das gar nicht. Sobald der Onkel auf der Couch saß und die Schuhe aufschnürte, ging der Rabe mit viel Geschrei auf ihn los, hackte ihm mit dem Schnabel in die Zehen und die Finger, verwüstete mit seinen Füßen und Krallen die spärlichen Reste der Frisur des Onkels.
Jakob war durch nichts zu beruhigen, die Polstermöbel gehörten zu seinem Revier, in den Ritzen zwischen den Polstern versteckte er seine Fleischvorräte. Erst wenn diese gesichert waren konnte der Onkel schlafen. War der Onkel an manchen Tagen alleine in der Wohnung blieb er nach dem Essen am Tisch sitzen und las Zeitung; er traute sich – von Jakob argwöhnisch beobachtet – nicht auf die Couch.
Raben und der Vorname Jakob sind daher seit meiner Kindheit positiv besetzt mit Suff und Völlerei sowie agressiver Verteidigung der eigenen Interessen.
Weitere Mitbewohner …
Die Katze am Teich ist Lenchen oder auch Frau Butz . Wir haben sie von einer Köchin aus der Eisenbahnerkantine bekommen; sie hieß Magdalena Butz und kochte die beste Grießsuppe, die ich Zeit meines Lebens gegessen habe.
Im Teich schwammen nicht nur die Schiffe, die mein Vater gebaut hatte, sondern auch noch Goldfische. Die Fische blieben sowohl von Jakob als auch von Lenchen verschont.
Hinter Lenchen sieht man ein kleineres gemauertes Becken. Darin tummelten sich eine Wasserschildkröte und zwei kleine Kaimane, die mein Vater in der Zoo-Abteilung bei Karstadt erstanden hatte.
Jakob war extrem futterneidisch auf die Fleischstücke, die an die Kaimane verfüttert wurden. Eines Tages fanden wir die Tierchen ohne Augen mit aufgehackter Schädeldecke neben dem Becken. Jakob hatte ganze Arbeit geleistet.
Ich denke, dafür sind wir ihm heute noch zu großem Dank verpflichtet.
Der Hund …
Eine griechische Landschildkröte namens Lotte und ein paar Enten gab es auch noch; allerdings keine Fotos.
